2. Preis (300 Euro): Medinetz Halle/Saale e.V.

* Susann Strube übergab den Preis stellvertretend an unsere Fraktionsvorsitzende Dr. Katja Pähle. Sie wird den Preis in ihrem Wahlkreis an die Gewinner übergeben.

Laudatio – Susann Strube, Jugendfeuerwehr Sachsen-Anhalt

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nominierte, liebe Gäste,

da mich wohl kaum jemand von Ihnen kennt, möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Susann Strube, ich engagiere mich für die Jugendfeuerwehr Sachsen-Anhalt.

Eines Tages rief mich mein Landesjugendfeuerwehrwart an und fragte mich, ob ich Interesse daran habe, als Jury-Mitglied beim Reinhard-Höppner-Engagementpreis mitzuwirken. Eigentlich – Sie kennen es wahrscheinlich alle – habe ich nicht viel Zeit, aber ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Menschen und Vereine kennenzulernen, welche durch ihre herausragenden Leistungen für unsere Gesellschaft eine Ehrung verdient haben könnten.

Deshalb stehe ich nun hier und darf gleich einem meiner persönlichen Favoriten einen Ehrenamtspreis überreichen. Darum bin ich vermutlich nicht weniger nervös als Sie.

Beim Lesen der zahlreichen Bewerbungen war ich immer wieder erstaunt auf welch unterschiedliche Weise man etwas Gutes für seine Mitmenschen tun kann. Und ein Gedanke hat sich bei mir manifestiert, den ich an dieser Stelle mit Ihnen teilen möchte. Es klingt zwar klischeehaft, aber dennoch möchte ich Ihnen sagen, dass Sie meines Erachtens alle Gold wert sind für Ihr Engagement. Sie leisten viel für alle Altersgruppen, Sie haben Problemstellen in der Gesetzeslage oder Verwaltungsarbeit entdeckt und versuchen nach Ihren Kräften dagegen vorzugehen. Oftmals erst, wenn es um eigene Interessen geht oder man gar tatsächlich in irgendeiner Form selbst betroffen ist. Aber es gibt auch einige unter Ihnen, die aus reiner Nächstenliebe handeln und „einfach so“ für andere da sind. Dieses Engagement macht Sie alle zu etwas Besonderem und deshalb in meinen Augen zu Gold für Ihre Mitmenschen, für unsere Gesellschaft.

Leider können heute nur drei Preise vergeben werden. Obwohl Sie alle einen verdient haben. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und Ihnen hiermit allen meinen aufrichtigsten Dank für Ihre ehrenamtliche Arbeit aussprechen. Unsere Welt braucht Menschen wie Sie. Dankeschön!

Ich habe bereits angemerkt, dass es sich bei meinem Preisträger um einen Verein handelt, der von Anfang an mein persönlicher Favorit war. Ich habe mit dessen Zielgruppe mitgefühlt und mich gefragt, wie würde es mir – selbst Mutter von zwei Kindern, von denen eins behindert ist – gehen, wenn wir keine Krankenversicherung hätten? Wie würde es meinen Kindern gehen, wo würden wir heute bzgl. der nötigen Medikamente und Therapien stehen ohne Krankenversicherung? Wie hätte ich mich als werdende Mama gefühlt, kurz vor der Entbindung mit der Ungewissheit, unter welchen Umständen ich mein Kind bekommen soll oder wie es danach weiter geht? Die Sorgen und Ängste der Betroffenen kann ich mir nur im Ansatz vorstellen. Nicht zuletzt, da ich selbst Sozialarbeiterin bin und daher bereits viele Menschen in den unterschiedlichsten Problemlagen kennengelernt habe.

Jedoch war es, nach MEINER Erfahrung, selbstverständlich, dass sich Lösungen mit Fachkräften der Medizin oder der Therapie, mit Krankenkassen und Apotheken finden ließen, wenn keine Krankenversicherung vorlag. Schließlich leben wir in Deutschland. Hier gibt es viele Strukturen und Systeme, damit niemand bedürftig sein sollte und im Vergleich mit anderen Ländern sind wir im gesundheitlichen Bereich doch recht fortschrittlich. Es hat mich deshalb sehr überrascht, dass es mehr als 2.000 Menschen allein in Sachsen-Anhalt gibt, welche allerdings von dieser Problemlage betroffen sind. Dabei handelt es sich allen voran um illegalisierte Migrant*innen, Menschen im Asylverfahren oder eben andere Personen ohne Krankenversicherung. Personen, die bspw. privat versichert waren und dann ihre Beiträge aus diversen Gründen nicht mehr zahlen konnten. Scheinbar geht es ganz einfach, dass man ohne Hilfe durchs Netz fällt.

Dennoch haben diese Menschen einen großen Hilfebedarf, denn, ich denke, wir sind uns alle darüber einig, wenn ich sage, dass es im Leben nichts Wertvolleres gibt, als die Gesundheit. Betroffene melden sich aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen nicht und leiden still für sich allein. Das hat niemand verdient. Ich bin deshalb sehr froh, dass diese bedürftige Personengruppe trotz aller Verborgenheit gesehen wurde.

Das bundesweit erste Medibüro wurde 1994 in Hamburg gegründet, mittlerweile gibt es 36 Medinetze und Medibüros, mit ähnlichen Angeboten, die sich gegenseitig unterstützen und sich regelmäßig zu Regional- und Bundesversammlungen treffen. Vor nunmehr fast zehn Jahren wurde auch ein Medinetz-Verein in Halle/Saale gegründet.

Der Medinetz Halle/Saale e.V. ist eine Gruppe von Menschen, die über ein Netzwerk aus freiwilligen Ärzt*innen, Therapeut*innen und Apotheken medizinische Beratung anbieten. Die Ehrenamtlichen organisieren dann Termine bei entsprechenden Fachkräften. Für die Hilfesuchenden ist das Angebot anonym, kostenlos und unabhängig von Behörden. Das bedeutet, die Netzwerkstellen erbringen ihre Arbeit weitestgehend kostenlos bzw. werden größere Kostenpunkte mittels Spenden finanziert. Spannend ist hier meines Erachtens auch die rechtliche Frage. Nach bisherigem Stand der Rechtsprechung stehen die medizinische Hilfe und die ärztliche Schweigepflicht über dem Meldegebot an Behörden. Das gibt allen Beteiligten die notwendige Sicherheit sich zu engagieren.

Besonders erwähnenswert finde ich aus fachlicher Sicht den ganzheitlichen Ansatz von Medinetz Halle/Saale e.V. Denn sie haben nicht nur den Bedarf erkannt, sondern setzen sich auf verschiedenen Ebenen für eine gute medizinische Versorgung für ALLE Menschen ein. So machen sie u.a. seit einigen Jahren auf eine mögliche Etablierung eines sogenannten Anonymen Behandlungsscheins bzw. Anonymen Krankenscheins aufmerksam. Ein solches Modell gibt es bereits in Thüringen. Sie setzen sich politisch dafür ein, dass allen Menschen, unabhängig von Pass, Aufenthaltsstatus und Herkunft medizinisch so geholfen wird, wie es nötig ist. Das erklärte Ziel von Medinetz ist es „nicht [die ehrenamtliche] Zwischenlösung zu etablieren, sondern die Zustände zu beheben, die dazu führen, dass [die] Arbeit notwendig ist“. Damit erklären sie offen den Mut zu haben, sich selbst abschaffen zu wollen. Diese Sicht- und Herangehensweise betont noch einmal das zentrale Ziel des Vereins in besonderer Weise, eine politische Veränderung erreichen zu wollen. Es ist gerade deshalb wichtig, Probleme nachhaltig zu beheben, weil wir nicht wissen, was morgen ist.

Viele Stadtverwaltungen begrüßen stillschweigend das hier beschriebene Engagement, weil es für sie selbst ein Problem weniger darstellt. Leider kommt es oftmals dazu, dass sich gerade die Entscheidungsträger auf dem Ehrenamt ausruhen, da so auf kostengünstige Art Lücken gefüllt werden. Das kennen Sie sicher ebenfalls alle aus Ihrem ehrenamtlichen Alltag. ABER, wir kennen lediglich den Stand der Zahl engagierter Menschen von HEUTE, nicht von morgen oder von Übermorgen oder gar den Stand in zehn Jahren. Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich in Zukunft beim Medinetz Halle/Saale e.V. engagieren werden und ob das genügt den Bedarf der doch stetig wachsenden Gruppe hilfebedürftiger Menschen zu decken. Deshalb ist es unerlässlich ganzheitlich vorzugehen, sich NICHT auf dem Ehrenamt von heute auszuruhen, sondern zu HANDELN für die Menschen von Morgen. Deshalb haben wir als Jury beschlossen dieses herausragende Engagement mit dem Reinhard-Höppner-Engagementpreis zu würdigen. Ich bitte nun einen Vertreter des Medinetz Halle/Saale e.V. nach vorne, um die mehr als verdiente Auszeichnung in Empfang zu nehmen.