„Menschen im Einsatz für Menschen: Dank an unsere Demokratiebotschafter“

Festrede von Frau Ministerin Petra Grimm-Benne
anlässlich der Verleihung des
Reinhard-Höppner-Engagementpreises

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Engagierte in unserer Gesellschaft,

Sie alle gemeinsam sind der beste Beweis dafür, dass Sachsen-Anhalt reich ist an vielen Menschen, die sich mit großer Hingabe, mit persönlichem Einsatz und Einfühlungsvermögen, mit Beharrlichkeit und viel Kreativität für ein gutes Leben und Zusammenleben in unserem Bundesland engagieren. Jeder in seinem Bereich, und jeder in seiner Region und Nachbarschaft.

Fest steht: Das, was unsere Ehrenamtlichen in Sachsen-Anhalt leisten, das könnte der Staat jedenfalls nicht ausgleichen. Allein die in der SPD-Landtagsfraktion eingegangenen 53 Vorschläge machen schon deutlich, wie breit das Spektrum des Ehrenamts ist. So sind heute Abend hier Menschen beisammen, die sich um ihren Stadtteil bzw. um ihre Nachbarschaft kümmern, die sich in Umweltprojekten engagieren und Umweltbildung betreiben, die mit Kultur- und Theaterprojekten die Menschen erreichen, die sich der Sportförderung verschrieben haben, die sich als Lern- und Kulturpaten um benachteiligte Kinder von hier und anderswo kümmern. Hier sind Engagierte, die sich in ihrer Gemeinde um den Erhalt von Schwimmbädern, Parks und historischen Gebäuden kümmern, die als Grüne Damen und Herren im Krankenhaus den Patienten ihre Zeit spenden, die als Hospizbegleiter schwerkranke Menschen auf ihrer letzten Etappe unterstützen und die sich um von Gewalt betroffene Frauen und Kinder kümmern.

Wir haben heute Menschen hier, die sich in der Flüchtlingshilfe stark engagieren, die integrative Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche organisieren und begleiten, die im Seniorenrat aktiv sind oder die sich besonders für Menschen mit Behinderungen einsetzen.

Ich möchte an dieser Stelle gern mal den früheren SPD-Parteivorsitzenden und Vizekanzler Franz Müntefering, der heute ehrenamtlich Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes ist, zitieren. Vor dem Deutschen Seniorentag im vergangenen Jahr sagte er: „Wir messen unseren Wohlstand immer am Bruttosozialprodukt. Aber wenn wir die 22 Millionen Ehrenamtlichen nicht hätten – darunter viele Ältere –, in den Vereinen und Verbänden, im Hospiz, in der Pflege, dann wäre die Lebensqualität ruckzuck im Eimer.“

Da hat er Recht, der Franz Müntefering. Ihr Engagement ist auch das Rückgrat unserer Gesellschaft. Sie packen an, wo es nötig ist, ohne nach dem Staat zu rufen. Sie helfen dort, wo Sie gebraucht werden, eigenständig und eigenverantwortlich. Dafür danke ich Ihnen sehr.

Für viele von Ihnen ist Ihr Engagement im Grunde eine Lebensaufgabe. Dabei kommt es Ihnen nicht auf den Eigennutz an.
Sie spenden Zeit, hören zu, zeigen Verständnis, teilen die Sorgen der anderen, machen berechtigte Kritik deutlich, zeigen Lösungen auf. Sie ermuntern die Menschen und packen vor allem selbst an. Sie gehen voran und kümmern sich. An Ihnen kann man sich oft ein Beispiel nehmen, denn Sie sind für andere auch häufig ein Vorbild.

Ob 18 oder 89 – freiwilliges Engagement ist keine Frage des Alters. Sich für andere Menschen und für ein gutes Zusammenleben einzusetzen, ist eine Frage der inneren Einstellung. Für viele von Ihnen sind die Begegnungen mit Menschen unbezahlbar. Es ist das Geben und Nehmen, was einfach auch der Seele guttut. Und das ist wirklich toll.

Meine Redezeit heute reicht leider nicht aus, alle 53 eingegangenen Vorschläge einzeln vorzustellen und zu würdigen. Auch wenn ich das sehr gern tun würde. Deshalb gestatten Sie mir, zwei Vorschläge herauszugreifen, ohne selbst zu wissen, wer heute Abend mit einem Preis geehrt wird. Es sind Vorschläge, die mich sehr berührt haben und bei denen deutlich wird, wie wichtig Ihr freiwilliges Engagement ist, weil es unser Leben bereichert und unser Zusammenleben menschlicher und lebenswerter macht. Und weil Sie wichtige Dinge tun, die sonst niemand macht.

Dazu gehört auf jeden Fall die ehrenamtliche Arbeit als Hospizbegleiter. Allein in der Händelstadt Halle sind mehr als 90 Hospizbegleiterinnen und -begleiter im ambulanten Hospizdienst ehrenamtlich unterwegs und betreuen die schwerstkranken, sterbenden Menschen und deren Angehörige zu Hause.

Dabei geht es weniger darum, die Patienten zu pflegen als vielmehr darum, ihnen Zeit zu spenden. Die meisten von ihnen haben ja eine Odyssee durch Krankenhäuser hinter sich, haben gekämpft, gehofft und gebangt – und am Ende häufig die Diagnose „aus-therapiert“ erhalten. Da braucht man den starken Halt der Anderen – von der Familie und von Freunden. Aber eben auch von Ärzten, Pflegern und von ehrenamtlichen Hospizbegleitern. Das ist gewiss keine leichte Arbeit, denn sie erfordert ganz besonders Empathie mit dem schweren Schicksal der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Fest steht: Besonders in ihrer letzten Lebensphase haben die Menschen unsere Zuwendung und Pflege verdient, zumal viele von ihnen unter starken Schmerzen leiden. Hinzu kommt häufig seelischer Schmerz, Abschied nehmen zu müssen von Familienangehörigen und Freunden, und letztlich auch die Ungewissheit, was kommt.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So steht es im ersten Artikel unserer Verfassung. Und auch, wenn es dort nicht steht: Das gilt bis zum Schluss. Das gilt bis zum Tod.

In Würde leben, in Würde altern, und in Würde sterben. Darum geht es. Und dazu tragen Sie als ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleiter für die schwerstkranken Menschen sehr viel bei. Sie sorgen maßgeblich mit dafür, dass sich schwerstkranke, sterbende Menschen nicht allein gelassen fühlen. Sondern dass sie Zuwendung erhalten in einer warmen, menschlichen Atmosphäre.
Für dieses ganz besondere Engagement danke ich Ihnen sehr. Schön, dass Sie heute hier sind!

Weiterhin sehr bewegt hat mich der Brief von Frau Dr. Wegener aus Wernigerode, in dem sie uns Folgendes schrieb [Anm.: Vorschlag Nr. 24]:
„Das erste Mal, das ich Hilmar Rasche traf, war auf einer Benefizveranstaltung des Schulchores meiner Tochter 2014. Er hatte uns Hilmar Rasche erzählt, wofür er hier steht, nämlich für Kinder und deren Familien in Siebenbürgen/Rumänien, für Menschen, Zigeuner, denen es nicht so gut geht wie uns hier allen.

Er erzählte von menschenunwürdigen Lebensbedingungen, Diskriminierung, Hunger, Slums, Dreck, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung mitten in Europa, aber auch von Menschen, die diesen Roma-Kindern helfen, nicht weggucken, ihnen Hoffnung auf ein besseres Leben geben. Hilmar Rasche war damals so überzeugend und ihm standen die Tränen in den Augen. […] Logistisch sinnvoll plant und organisiert er Sachspenden-Transporte nach Rumänien. Zweimal im Jahr 15 Tonnen und dreimal im Jahr 1,8 Tonnen. […]Er ist der Kopf einer riesigen Sachspende-Organisation.“

Und Frau Dr. Wegener schrieb weiter: „Während andere Menschen in seinem Alter nach langem Berufsleben in die langersehnte Pension gehen, hat Hilmar Rasche sich eine schier endlose Lebensaufgabe gestellt und noch einmal richtig durchgestartet. Er ist täglich mindestens sechs Stunden, in Stoßzeiten manchmal 10-14 Stunden pro Tag für die Kinderhilfe auf den Beinen. […] Urlaub gibt es für ihn selten.“

Lieber Hilmar Rasche, Frau Dr. Wegner, die Sie für den Reinhard-Höppner-Engagementpreis vorgeschlagen hat, schreibt, dass sie sich wünscht, dass Sie heute Abend von Ihrer Arbeit erzählen. Dass Sie von Ihren Begegnungen in Siebenbürgen erzählen, vor allem mit den Kindern.

Heute Abend ist der Raum dafür, dass wir uns austauschen können über Ihre ehrenamtlichen Aktivitäten.

Und ich freue mich schon sehr auf die Gespräche beim Empfang. Ich kann Ihnen sagen: Es ist ein sehr gutes Gefühl, Sie hier heute Abend versammelt zu sehen und Sie kennenlernen zu dürfen.
Eines ist mir dabei besonders wichtig zu betonen: Ihr Einsatz für andere Menschen ist keineswegs selbstverständlich. Das ist klar. Aber er ist sehr nötig, damit unsere Demokratie, damit unsere Bürgergesellschaft funktioniert. Die Ergebnisse Ihrer Arbeit sind nicht von oben verordnet, sondern aus sich selbst heraus entstanden: die wieder in Betrieb genommene Wassermühle, das Theaterprojekt, das gut besuchte Stadtteilfest oder das Zusammenbringen von Menschen mit seltenen Erkrankungen. All das ist lebendiger Ausdruck unserer Demokratie.

Deshalb sind Sie nicht nur unsere stillen Helden des Alltags, sondern Sie sind auch unsere Demokratiebotschafter. Ihr bürgerschaftliches Engagement ist letztlich auch der Motor, der unsere Gesellschaft am Laufen hält.

Sie schauen nicht wie andere vom Spielfeldrand zu, sondern Sie packen selbst fest mit an und gestalten mit. Ja, Sie gestalten unser Zusammenleben, machen es bunter, machen es lebenswerter. Mit Ihrem täglichen Einsatz bereichern Sie uns alle. Und Sie sind zudem auch richtig gute Vorbilder, für Nachbarn, Freunde, Verwandte, aber vor allem auch für unsere Kinder und Jugendlichen.
Weil sie von Ihnen lernen können, weil Sie ihnen zeigen, wie Gesellschaft gut funktioniert. Und sicher auch, weil sie zu Ihnen aufschauen können, Ihnen bestenfalls nacheifern und selbst mitgestalten wollen.

Ich möchte an dieser Stelle auch all denen danken, die heute Abend nicht hier sind, ohne die aber Ihr Engagement sicher gar nicht möglich wäre. Ich denke dabei an Ihre Familien und Freunde, die hinter Ihnen stehen, die Verständnis haben für Ihre Vereinsarbeit und dabei selbst oft zurückstecken müssen, weil Sie Ihre Freizeit eben nicht mit Ihrem Partner, Ihren Kindern, Enkeln und Freunden verbringen können. Insofern ist die Zeit, die Sie anderen Menschen mit Ihrer Arbeit spenden, auch ein kostbares Geschenk.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte meine Rede nicht schließen, ohne an eine ganz bestimmte Person zu erinnern, die heute auch nicht hier sein kann. Reinhard Höppner, unser früherer Ministerpräsident und Namenspatron des Engagementpreises.

Er hätte am 2. Dezember seinen 71. Geburtstag gefeiert. Er hat sich nicht nur Zeit seines Lebens selbst sehr stark ehrenamtlich vor allem in der Kirche engagiert, sondern sich auch immer für das Ehrenamt an sich eingesetzt.

Deshalb bin ich sehr froh, dass die SPD-Landtagsfraktion Reinhard Höppner auch mit der jährlichen Verleihung des Engagementpreises ein würdiges Andenken bewahrt. Außerdem freue ich mich, dass Renate Höppner, die über 40 Jahre mit ihm verheiratet war, heute Abend hier ist und wir nachher gemeinsam mit Ihnen ins Gespräch kommen können.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe mir zwar die Vorschläge angeschaut, weiß aber auch nicht, wer heute Abend tatsächlich ausgezeichnet wird. Die Jury ist bis zum Schluss verschwiegen geblieben und hat mir nichts verraten, so dass ich genauso gespannt bin wie Sie, welche Personen oder Vereine heute mit dem Reinhard-Höppner-Engagementpreis geehrt werden.
Eines ist aber mal sicher: Preisverdächtig sind Sie alle. Sie sind Menschen im Einsatz für Menschen. Freiwillig, zuverlässig, kreativ, rechtschaffen, unermüdlich, sympathisch. Sie sind unsere Demokratiebotschafter.

Vielen Dank für Ihr Engagement. Und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.