Laudatio für das Jugendtheater CARLA durch Rüdiger Fikentscher
Liebe Renate Höppner, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Liebe Genossinnen und Genossen,
zum zweiten Mal habe ich die Ehre und Freude, bei der Verleihung des Reinhard Höppner Engagement-Preises einen dieser Preise übergeben zu dürfen.
Ich tue das aber nicht, ohne vorher noch einmal zu sagen, wie sehr ich es begrüße, dass dieser Preis im Namen meines langjährigen Freundes Reinhard Höppner erdacht und verwirklicht worden ist. Außerdem halte ich es für bemerkenswert, dass die Beteiligung auch im zweiten Jahr sehr groß ist. Das spricht dafür, dass es eine sehr gute Idee war und wir uns auch in den kommenden Jahren darauf freuen können.
Nun zum Verfahren und dem Sonderpreis. Eine Jury hat es immer schwer. Sie muss unter zahlreichen guten und sehr guten Anträgen die besten auszusuchen, und dann auch noch eine Reihgenfolge bestimmen. Wenn die ersten drei vergeben sind, haben alle ein schlechtes Gefühl, weil viele andere sehr gute nicht berücksichtigt werden konnten. Das war auch hierbei nicht anders. Und deswegen hat niemand widersprochen, dass es zusätzlich einen Sonderpreis geben soll. Aber an wen?
Nicht etwas Besonderes, sondern etwas ganz Besonderes sollte herausgefunden werden.
Und das geschah.
Und so freue ich mich, den Sonderpreis an die Träger des Projektes CARLA übergeben zu dürfen.
Es ist ein gemeinsames Schultheaterprojekt mit 9 darstellenden Jugendlichen aus drei halleschen Schulen:
Dem Giebichenstein-Gymnasium „Thomas Müntzer“,
dem Georg-Cantor-Gymnasium und der
„Latina August-Hermann-Francke“
Bevor ich das allerdings tue, werde ich ihnen noch die Begründung für diese Entscheidung mitteilen, jedenfalls will ich das versuchen.
Es ist zu vermuten, dass die Wenigsten von Ihnen davon bereits Kenntnis haben.
Doch das wird sich durch die Preisverleihung ändern, die zugleich andere zur Nachahmung anregen soll.
Es gibt viele Schultheater, vielleicht immer noch zu wenige, aber immerhin.
Sie bespielen üblicherweise einen engen Bereich.
In Halle ist nun aber folgendes erdacht und umgesetzt wurden:
Durch den Zusammenschluss der Theatergruppen von drei Schulen entstand ein Theaterstück, dass sich an professionellen Stücken messen lassen wollte und dies auch tatsächlich geschafft hat.
Es hat den Namen CARLA und wurde im Juni 2019 viermal im WUK aufgeführt. Geprobt wurde wöchentlich vom Oktober 2018 bis Juni 2019.
Es ist eine Tragik-Komödie, in der jugendrelevante Themen behandelt werden wie:
Freundschaft, Aufbruch, Hoffnung , erste Liebe, aber auch tabuisierte Themen wie Mobbing, Einsamkeit, Verlust und psychische Probleme.
Sie bietet witzige Dialoge, Gesang und Life-Musik.
Die Handlung ist folgende:
Ebenso wie ihre gleichaltrigen Freunde hat die 15-jährige Carla mit den Herausforderungen des Erwachsenwerdens zu kämpfen.
Sie und ihre ältere Schwester Emma leiden unter den hitzigen Streitereien der Eltern.
Sie fühlen sich deswegen immer mehr alleingelassen.
Carlas bester Freund, Joshua, der schon lange in sie verliebt ist, versucht unterdessen die geschockte und traurige Carla zu beruhigen.
Carla wiederum sehnt sich zwar nach Zuneigung, Sicherheit und Nähe, hegt wohl auch heimlich Gefühle für Joshua, kann dies jedoch nicht so offen zeigen wie dieser.
Stattdessen lässt sie sich nach einer Party auf Tom, den sogenannten „Aufreißer“ in ihrem Freundeskreis , ein.
Das bleibt in der kleinen Vorstadt kein Geheimnis.
Dadurch wird ihr Leben durch einen verärgerten Freundeskreis, streitende Eltern und zornige Lehrer bestimmt.
Carla strauchelt und macht Fehler.
Doch – und das ist das Entscheidende – sie kämpft!
Und zwar für ihre Familie, ihre Freunde und nicht zuletzt für sich selbst.
Dieses Verhalten wird zum Vorbild für viele, deswegen ist das Stück nach ihr benannt.
Soweit zum Stück und den Schülerinnen und Schülern.
Doch diese haben das natürlich nicht allein zustande gebracht, sondern da waren und sind noch drei weitere junge Leute, die es heute zu ehren gilt.
Die Initiative ging von dem 18jährigenTimon Furchert aus.
Er lieferte die erste Skriptfassung und verkörperte gleichzeitig mit seinem Abitur eine der Hauptrollen.
Die 22jährige Linda Rabisch bearbeitete die Fassung es Stückes, das Bühnenbild und die Kostüme und betreute die Jugendlichen der 3 Gymnasien, die monatelang unter einem Dach probten.
Beide haben das Projekt auch privat finanziert.
Und schließlich der 22jährige Fabian Krystossek.
Er schrieb die Musik:
Szenenmusik, Songs und eine mehrstimmige Chorpartie, studierte mit den Jugendlichen alles ein und spielte die Begleitung.
Die Leitung am Theater hatte Anselm Hünel.
Empfohlen wird das Stück für Personen ab 14 Jahren.
Wenn ich das richtig verstehe, sind auch Erwachsene zugelassen, und wenn ich es ganz richtig verstehe, könnten diese einen noch größeren Gewinn haben. Denn sie erfahren etwas über die oft unverstandene und deshalb auch vielgeschmähte „heutige Jugend“
Weil das so ist, geht der Sonder-Engagement-Preis an das Projekt CARLA.
Es gibt ihn:
erstens für eine ganz eigene Leistung auf dem Gebiet der Kultur, an der viele Menschen Freude hatten und noch haben können,
zweitens für einen Beitrag zur Integration.
Und schließlich für die unterhaltsame öffentliche Behandlung tabuisierten Jugendthemen.
Bei uns gibt es ein solches Tabu nicht, und deswegen darf ich nun diesen Preis überreichen.